Nackt laufen drei Darsteller über den Alexanderplatz. Eine sommerliche Kundgebung von Nudisten? Ein Flashmob gegen die Ausbeutung der Baumwollraupe? Falsch, die Off-Stimme verrät mit einer Frage den Sinn der Sequenz: Sind wir alle nackt im Internet? Eine rhetorische Frage, wie sich herausstellen wird.
Das ZDF zeigte gestern eine Doku zu den Gefahren sozialer Netzwerke. Eine Sendung, über die sich der ein oder ander schon ausgekotzt hat, wie auch Caschy in seinem Post: „Wenn das ZDF über euch berichtet, dann wird Angst geschürt„. Denn die Sendung sollte neutral berichten und hatte sich das hohe Ziel gesetzt, den „Behauptungen, Irrglauben und Halbwahrheiten auf den Grund“ zu gehen, die über Datensammlung und -missbrauch so herumgeistern. Eine im Großen und Ganzen eher langweilige Sendung für halbwegs Angeschlossene ans Netz. Die Sendung wurde erst im Nachhinein interessant, da sich einer der Mitwirkenden danach in seinem Blog zu Wort meldete.
Denn die ZDFzoom-Sendung „Hilfe, ich bin nackt“ kam beim Protagonisten nicht gut an. Klingt vielleicht paradox, da die Mitwirkenden auf der Seite der Sender stehen sollten und nicht der bewertenden Empfänger, ist aber schnell erklärt.
Denn in „Hilfe, ich bin nackt“ ging es ums Thema Datensammlung durch Facebook und Co. Und dafür brauchte es natürlich ein Beispiel zum Vorführen der Missbrauchsmöglichkeiten, wofür sich Thomas Praus aka Blogger Stylewalker mehr oder weniger bewusst zur Verfügung stellte. Warum es bei ihm nicht gut ankam, obwohl ihm der Auftritt mit 500 Euro bezahlt wurde?! Ganz einfach: Da das ZDF seiner Ansicht nach keinen zu analysierenden Nutzer für den Profiler Hendrik Speck suchte, keine neutrale Darstellung wählte, sondern ein Opfer. Das ZDF habe nur vermittelt, dass man Angst haben muss und der Einzelne lediglich dem sozialen Druck nachgebe. In seinem Post zur Sendung schreibt er dann auch:
Diese ganze Öffentlichkeit um meine Aktivitäten im Netz haben mir schon so viel Ideen, Feedback, spontane Treffen, Verbindungen gebracht, dass es absolut ABSURD ist, Angst zu haben.
Unlogisch ist schon der Anfang der Sendung, hier heißt es „bei Facebook ist mir der Freund eines Freundes aufgefallen, ihn habe ich KURZERHAND zu meiner Kontaktliste hinzugefügt“. Klingt für den ZDF-Zuschauer aus der zweiten Lebenshälfte nach einem automatischen Vorgang. Praus hingegen schreibt:
Zwar habe ich mein Profil der Redakteurin Sabrina Hermsen frei gegeben, Hendrik Speck aber nicht. Dass Sabrina meine Daten mit ihm teilt, ist vielleicht Teil des Experiments, aber keinesfalls von mir erlaubt worden. Und da trifft wieder der Spruch: Die größte Bedrohung für deine Privatsphäre sind deine Freunde. Waren sie aber schon immer.
Die Lehre aus diesem Beispiel kann also lediglich die triviale Facebook-Regel sein: Füge keine Unbekannten einfach als Freund hinzu. Die abschließende Auswertung der Analyse von Praus‘ Aktivitäten im Netz bleibt ebenso oberflächlich. Er betreibt Webseiten, ist bei Twitter, Foursquare und so weiter. Einen eigentlichen Aha-Effekt gab es nicht. Die eigentliche Motivation, die Chancen als auch praktische Regeln für den Umgang wurden nicht beleuchtet.
So sehen es auch die Kommentatoren bei Stylewalker, welche für sich selbst die ein oder andere Regel ableiten. Diese sind jedenfalls interessanter als die ZDF-„Doku“.
Das trifft es wirklich sehr gut, genau diese inszenierte Opferrolle hat mir nicht behagt. Und kurzerhand fügt man auch keine Nutzer auf Facebook hinzu. Sabrina hat mich angeschrieben, mir ihr Anliegen erklärt, wir haben uns getroffen und sie hat umrissen was sie vorhat. Im Laufe dieses Prozesses habe ich ihre Anfrage angenommen. Dass ich verfolgt und mit meinem ausgedruckten Onlinewerk konfrontiert werden würde, wusste ich allerdings nicht.
Was ich persönlich aus der Geschichte gelernt habe, ist dass man mit traditionellen Medien sehr vorsichtig umgehen muss, weil man nicht mehr Herr über das eigene Bild ist, sondern sich in fremde Hände begibt. Auf meinem Blog und Twitter kann ich schreiben was ich will und meine Identität formen. Wenn andere das tun, geht das nicht.
Insgesamt freue ich mich aber sehr über die Diskussion in meinem Blog, wo einige sehr fundierte Kommentare zu lesen sind. Insofern hat der Beitrag vielleicht doch etwas Positives angestoßen. Vielleicht bekomme ich ja noch einen Kommentar von der Redakteurin dazu!
Ja, in der Tat. Von den alten Medien mit ihrer „Sendementalität“ geht eine Gefahr aus. Dies wird bei der Gegenüberstellung bzw. Anklage der neuen Medienwelt oft vergessen. Die Darstellungen in vielen TV-Beiträgen und Reportagen scheinen von Angst vor der neuen Welt, vorm Wandel getragen zu sein. Die Redakteure sind nicht neutral.
Jene Konstruktion von TV-Realität aka „Teile dieser Sendung sind frei nacherzählt“ ist eben genau der Grund, warum Blogs beliebt wurden. Hier und da kann man sich das Publikum kaum raussuchen, aber wenigstens selbst entscheiden, was man rüberbringt.
Insofern ist die Schilderung, wie der Kontakt zustande kam, interessant. Wenn man den Beitrag genau anschaut, wird doch am Anfang suggeriert, dass hier der Erstkontakt stattfand. Keine weiteren Absprachen bestehen. Schon das ist fälschend und soll den Eindruck vermitteln, wie leicht es doch ist, jemanden auszuspionieren.
Und ja: der eigentliche Diskurs fängt gerade an.