Big Data – Die Revolution, die unser Leben verändern wird @ Microsoft Berlin

Terabytes, Petabytes und Exabytes? Von Big Data gibt man nur schwerlich eine kurze Definition, ohne dem Thema vorauszugreifen. So hat es der rbb-Moderator Sven Oswald pragmatisch gehalten in seiner Einleitung und lieber dem Hauptsprecher seine Zeit eingeräumt. Um die Komplexität des Themas zu erfassen, muss man schon Bücher schreiben. Kein Zufall, dass der Vortragende ein solches im Gepäck hatte. Der Unternehmer und Forscher am Oxford Internet Institute Viktor Mayer-Schönberger ist Autor des gleichnamigen Sachbuchs. Sein Untertitel „Die Revolution, die unser Leben verändern wird“ zeigt nicht nur das Motto von Big Data auf, sondern auch worum es bei der neuen Veranstaltungsreihe generell geht. Die Auftaktveranstaltung einer Lesereihe im Atrium bei Microsoft Berlin fand am 20. Februar statt.

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Eine breite Zielgruppe soll zu Themen rund um IT und Internet angesprochen werden, versprach Henrik Tesch. Der Leiter Politik und gesellschaftliches Engagement von Microsoft Deutschland machte neugierig auf die kommenden Lesungen, bei denen Softwareentwicklung sicher nicht auf der Agenda stehe.

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Der „Big Data Papst“ Mayer-Schönberger hatte eine 30-minütige Präsentation vorbereitet, bei welcher er sehr anschaulich anhand von Beispielen die Implikationen der neuen Methoden für Unternehmen, die Gesellschaft und jedenen Einzelnen aufzeigte. Dabei wurde deutlich, dass sowohl die Chancen als auch Gefahren nicht weit in der Zukunft liegen, sondern bereits heute aktive Gestaltung und Verantwortungsübernahme voraussetzen.

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Wer früh den Flug bucht, bekommt den günstigsten Preis? Das liegt daran, dass kurz vor einem Termin oder Event noch viele Menschen auf die Idee kommen, eine Reise zu unternehmen? Falsch. Wenn der Sitznachbar und viele andere Reisende günstigere Plätze bekommen, trotz späterer Buchung, muss es eine andere Lösung geben. Oren Etzioni hatte 2003 mit Farecast (heute Bing Travel) eine Software entwickelt, welche die günstigen Flugtickets verspricht, ohne nach den Gründen zu fragen. Nicht indem sie als Metasuche viele Büros und Airlines einbezieht in einen Vergleich, sondern indem sie den richtigen Zeitpunkt zur Buchung anhand von 200 Milliarden an Datensätzen ermittelt. Weitere Beispiele schließen daran an: Daten von Flugzeugen haben die Wettervorhersage um sieben Prozent verbessert, Triebwerkshersteller Rolls Royce nutzt diese zugleich, um Vorhersagen über mögliche Reparaturen zu machen. Dadurch sind jene dann möglich, bevor das Teil überhaupt defekt sei. Inrix Travel wertet die Daten der Navigationsdienstnutzer aus, um daraus Stauinformationen zu geben. Amerikanische Supermärkte können aus dem Kaufverhalten von Frauen ablesen, ob und sogar wann eine Geburt ansteht.

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Doch Big Data sei nicht nur eine Möglichkeit mehr Geld zu verdienen, sondern könne auch gesellschaftliche Werte schaffen. Beispielsweise ist es durch die Analyse von Suchanfragen zu Krankheitssymptomen möglich die Wechselwirkung von Medikamenten zu untersuchen. Legendär ist mittlerweile auch die Fähigkeit von Google die Grippewelle vor allen offiziellen Datenerhebungen aus seinen Suchanfragen heraus vorherzusagen.

Der Datenbestand ist so groß wie nie. Die Datafikation ist nicht nur durch Sensoren an allen denkbaren Maschinen und elektronischen Geräten so rasend gewachsen, sondern vor allem durchs Internet. Dabei gibt es auch einen Paradigmenwechsel, welchen Mayer-Schönberger anhand der Lytro-Lichtfeldkamera verdeutlichte. Diese könne alle Ebenen als scharfes Bild aufnehmen und man muss sich nicht mehr auf ein Motiv festlegen. Während es früher um eine möglichst exakte Aufnahme weniger Daten ging, ist es heute möglich neue Details aufzudecken: „neuen Hypothesen auf vielfachen Ebenen unterschiedlicher Granularität überprüfen“. Ein gewisser Treppenwitz ist an dieser Stelle, dass es mit Nokia Refocus fürs Lumia eine App gibt, die ähnliche Effekte erzeugt.

Angesichts dieser Möglichkeiten seien allerdings auch die Schattenseiten zu benennen. Der Missbrauch der Daten sei möglich. Auch könne man wie z.B. in Minority Report eine „Verurteilung ohne Verhalten“ von Straftätern durchführen. Bestimmte Verhaltensmuster würden statistisch für ein Rückfälligwerden von Bewährungsverurteilten in bestimmten US-Staaten schon genutzt. Wichtig ist ihm deshalb zu betonen, dass man stets nur Korrelationen und keine Kausalitäten aus den Daten ableite.

Mayer-Schönberger schließt mit einen Appell an die Menschlichkeit und Demut – die Daten seien nur ein Schatten der Wirklichkeit und zeigen lediglich einen Teil der realen Welt. Das Spannungsfeld zwischen dem Gefühl des Einzelnen nackt zu sein und der sinnvollen Nutzung müsse erst noch gefunden werden. Es dürfe keine Konzentraion des Wissens bei den Datenerhebern geben. Er setzt auf die Verantwortlichkeit bei den Datensammlern, die Absicherung der menschlichen Handlungsfreiheit und der Hilfe von Algorithmikern. Die Staaten sollten beim Datenschutz regulierend eingreifen.

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Ingesamt war die Veranstaltung und das Get Together sehr kurzweilig, der Vortrag sehr anschaulich, was gerade bei diesem Thema nicht selbstverständlich ist. Entsprechend freuen wir uns schon auf die weiteren Veranstaltungen im Microsoft Atrium in Berlin. Wer das Buch von Mayer-Schönberger lesen möchte, kann ein Exemplar bei uns im Büro ausleihen.