Das Ende des Zufalls

„Gleich würfle ich eine fünf und werfe die Figur meines Mitspielers raus“ – diese Sprüche beim Spieleabend kennt jeder. Man darf sie auch weiterhin getrost als hohle Drohung verstehen. Doch wie sieht es mit den Vorhersagen zum nächsten Börsencrash, dem Diebstahl eines Autos oder dem Aufkommen einer Grippewelle aus? Hier kann man sich im Zeitalter von Big Data und Predictive Analytics nicht mehr so sicher sein, dass eine Vorhersage nur windige Geschäftemacherei von Nostradamus-Enkeln ist. Unter dem Titel „Das Ende des Zufalls“ lief gestern ein Dokumentationsfilm von Jakob Kneser und Pina Dietsche im TV. 3sat hat sich dem derzeit durchaus gehypten Thema an seinem Wissenschaftsabend mit einer sehenswerten Kombination aus Aufklärung und Experiment genähert. Danach wurde bei Gert Scobel diskutiert, wobei hier das gesellschaftliche Thema „Privatheit“ vor den technischen Möglichkeiten im Fokus stand. Die Europapremiere einer 360 Grad Kamera lieferte interessante Bilder live aus dem Studio.

Scobel_Privatheit

Der Film verdeutlichte das Thema Big Data mit Beispielen aus dem Bereich Gesundheit und Kriminalitätsbekämpfung. Viele der Beispiele sind dem Kenner schon bekannt bzw. können verständlich erläutert auch im Buch von Mayer-Schönberger nachgelesen werden. Doch die Sendung zeigte auch experimentelle Versuche, bei denen mittels spezieller Apps Personen analysiert wurden. Die Programmbeschreibung lautet wie folgt:

Die Dokumentation „Das Ende des Zufalls“ zeigt, wie Mathematiker und IT-Spezialisten die Zukunft aus gigantischen Datenmengen lesen können. Predictive Analytics nennt sich die Vorhersage der Zukunft durch clevere Datenanalyse der Vergangenheit. Aber der Film geht auch der Frage nach, wie sich unser Leben, unsere Gesellschaft verändern werden, wenn die Zukunft kalkulierbar wird. Wie wird das Leben in einer Welt sein, in der Algorithmen abschätzen, wie gut ein Kind in der Schule sein wird? Wie geeignet es für einen bestimmten Job ist? Oder wie gefährdet es ist, straffällig zu werden? Der Traum einer vollständig berechenbaren Zukunft, in der es keine Katastrophen, Kriege und Epidemien gibt, könnte leicht umschlagen in den Alptraum eines allwissenden Überwachungsstaates. Die Filmemacher Pina Dietsche und Jakob Kneser nehmen die Zuschauer mit in verschiedene Lebensbereiche, in denen tatsächlich schon Zukunft aus Big Data vorhergesagt wird.

Bei der Diskussionsrunde wurden die Bedingungen von Privatheit besprochen. Im Plädoyer für die Privatheit wurde in den drei Bereichen informationelle Privatheit (Daten über eine Person), dezisionale Privatheit (Wahl der Kleidung, Beruf) und der lokalen Privatheit (Schutz der Intimsphäre in der Wohnung) ein Schutz eingefordert, sodass sich das Individuum in seiner Freiheit ein selbstbestimmtes Leben führen kann. Sie ist die soziokulturelle Vorausetzung für Zivilisiertheit, währenddessen geheimes Wissen über andere Macht verleihe. Das eigentliche Highlight der Diskussionrunde war jedoch visueller Art. Denn der Zuschauer konnte mittels einer 360° Kamera über’s Internet eine Rundumsicht übers Studio erlangen. Verschiedenen Perspektiven waren einstellbar, so dass man einen beinahe allsehenden Überblick übers Geschehen bekam und sein eigener Regisseur sein konnte. Manch einer wird sich sicher vorgestellt haben, wie es wohl wäre selbst als Zuschauer so beobachtet zu werden. Ein surreales Erlebnis.

Sowohl der Film „Das Ende des Zufalls“ als auch die Diskussion stehen in der Mediathek des Senders zum Nachschauen. Unter der Domain http://www.3sat.de/scobel/ kann man auch die 360 Aufzeichnung sehen, wobei der Live-Effekt natürlich verloren geht.

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